Gegenwart und Zukunft des Musiktheaters

Rezensionen Literatur

Jörn Peter Hiekel, David Roesner (Hg.)
Gegenwart und Zukunft des Musiktheaters
Theorien, Analysen, Positionen

März 2018, 238 Seiten, kart., zahlr.. Abb., 29,99 €,
ISBN 978-3-8376-3933-9

Aus der Reihe ‚Musik und Klangkultur‘ vom [transcript-verlag]

Es ist hier sinnvoll, auf die vom Autorenteam bzw. vom Verlag intendierten Aufgaben dieses Bandes hinzuweisen:

„Vor dem Hintergrund einer Öffnung gegenüber dem Fremden und Unerwarteten nimmt dieser Band eine Ortsbestimmung des zeitgenössischen Musiktheaters vor. Dazu geht er nicht nur auf neue Formate und Strategien ein, sondern verfolgt auch jene Differenzen oder Querstände der Künste untereinander, aus denen sich neue Möglichkeiten ihres Zusammenwirkens ergeben. Begriffe wie Original, Adaption, Partitur, Autorschaft oder Komposition sind nicht mehr selbstverständlich und erfahren in künstlerischer Praxis und akademischem Diskurs neue Wendungen. Dies zeigen die Beiträge aus Musik-, Theater- und Tanzwissenschaft sowie der Philosophie.“ [transcript-verlag]

Das Buch ist gegliedert in drei Hauptteile, in denen sich, entgegen dem Buchtitel, auch die Themen finden, aus denen sich das heutige Denken und die Vielfalt der heutigen Erscheinungen des Musiktheaters entwickelt haben und noch weiterhin entwickeln, die Ursprünge, die Gegenwart und die Entwicklung des Genres. Hervorgegangen ist der Sammelband aus einem Symposium der „Münchener Biennale für neues Musiktheater“ im Jahre 2016. Es wird darauf hingewiesen, dass in der Berichterstattung über das Ereignis schon die unterschiedlichen Ansichten über die Begrifflichkeit zutage treten. Was ist das „das neue Musiktheater“, was will man darunter verstehen, was will man damit sagen.

Im einleitenden Teil des Bandes: – 1. Musiktheater heute — eine Standortbestimmung, Grenzüberschreitungen und neue Arbeitsweisen, Dés-œuvrément, Dialog mit Untertiteln – Kommt ganz klar zum Ausdruck, dass es hier nicht darum geht, das etablierte „Staatstheater“ mit seinem „Opernbetrieb“ weiter zu entwickeln, sondern „abzuschaffen“, weil die in Stadt- und Staatstheatern praktizierte Repräsentationskultur opulentes Entertainment vor allem nur noch „wohlsituierte Ältere“ bedient. Damit sehen sich die Autoren in ihren Entfaltungsmöglichkeiten eingeschränkt und behindert, weil darin nur Mutlosigkeit und Repertoireenge vorherrschen. Daraus würden sich jene erschreckend große Differenzen zeigen, zwischen den in diesem Band skizzierten Momenten des Aufbruchs und dem im etablierten Musikbetrieb weiterhin Üblichen bestehen. (42-44)

Weiterhin wird die Enge thematisiert, die sich aus den Begriffen wie der Autorschaft, der Aura eines Originals und der Werktreue gegenüber neuen Ideen und stellt und wie diese neue Ideen und Denkweisen behindern. Es wird weiterhin argumentiert, dass Kritiker und Kritikerinnen die journalistisch über neue Entwürfe schreiben, wohl kaum der gleichen Generation angehören und mehr als ihnen selbst bewusst ist, dem Dispositiv Oper angehören als die jungen Komponistinnen und Komponisten, die heute neue Wege des Musiktheaters erproben.(42)

Der Hauptteil des Buches befasst sich mit – 2. Beispiele und Analysen – in dem es darum geht, anhand von durchgeführten Projekten, die vorgebrachten Argumente zu untermauern und deren Aussagen zu analysieren und zu konkretisieren, wie sich das Musiktheater entwickeln bzw. weiter entwickeln kann und soll und zu welchem Ziel die Entwicklung gehen sollte. Die vorgestellten Beispiele sind ausführlich in ihren Grundstellungen und Anlehnungen dokumentiert und in der Aufführung ausführlich begründet.

Zum Schluss des Buches wird mit – 3. Diskurs, Originale und Autorschaft? – auf die Entwicklung neuer Formen des Musiktheaters eingegangen, in denen es um eine Ko-Kreativität geht, um eine Entwicklung von Praktiken des Zusammenspiels von Musik, Tanz, Bewegung, Bildern und Räumen zu einem harmonischen Ganzen.

Das Buch gibt in informativer und auch in teils polemischer Argumentation einen Überblick über die Funktion und die Aufgaben des Musiktheaters in der heutigen Kulturlandschaft mit einer aussagekräftigen Beschreibung von durchgeführten Projekten und mit der Darstellung von Perspektiven für eine Weiterentwicklung, von dem was man heute als neues Musiktheater benennen will.

Peter Dahms [OpernInfo-Berlin.de / Dahms-Projekt.de]