Massenmedien und Verdatung am Beispiel publizistischer Printmedien von Karsten Pieper
Erschienen im transcript-verlag in der Reihe „Arbeit und Organisation“ am 27. Februar 2023
Print, 248 Seiten kart.,ISBN 978-3-8376-6609-0
E-Book (PDF), 248 Seiten 3 ISBN 978-3-8394-6609-4
Karsten Pieper, geb. 1991,
promovierte an der Bielefeld Graduate School in History and Sociology der Universität Bielefeld zur Digitalisierung von Zeitungsredaktionen und zum digitalen Wandel ihrer Publikumsbeobachtung.
… aus der Verlagsankündigung:
Massenmedien beobachten ihr Publikum genau – und haben hierzu durch Internet und digitalen Wandel schier unbegrenzte Möglichkeiten. Dies wirkt sich allerdings auch auf ihre organisationalen Binnenverhältnisse aus. Karsten Pieper untersucht diese Entwicklungen und begreift die Publikumsbeobachtung dabei als eine nach innen verlaufende Organisationsbeobachtung, die neue Möglichkeiten des Vergleichens, Bewertens und Legitimierens erlaubt. Er zeigt auf, wie dadurch Wettbewerb und Konkurrenz zwischen den Massenmedien gesteigert sowie interne Restrukturierungs- und Transformationsprozesse innerhalb der Unternehmen angestoßen werden.
[transcript verlag]
Rezension:
Einführend definiert der Autor die aktuelle Vorgehensweise an Möglichkeiten des Erfassens, Vermessens und Verdatens des Publikums für den Bereich der Printmedien, das er in seiner vorliegenden Dissertation zum Thema macht und eine Vorgehensweise entwickelt zur Lösung des Problems.
Die Frage aktuell stellt sich in der Form: „…was für die Massenmedien stets die Frage aufwirft, wie viele Zuschauerinnen und Zuschauer, Zuhörerinnen und Zuhörer und Leserinnen und Leser sie mit ihrem Angebot überhaupt erreichen und inwiefern dieses auf Interesse stößt.“ und er stellt weiter fest:
„Während sich im Fernsehen mit der Einschaltquote ein Standard der Publikumsmessung etabliert hat und erste kontinuierliche Fernsehnutzungsmessungen in Deutschland bereits seit 1963 erfolgen, waren für das Radio und die Printmedien entsprechende Möglichkeiten der Publikumsbeobachtung stets stark eingeschränkt. Besonders für den Print-Bereich waren solch systematische Publikumsmessungen technisch bedingt schlichtweg nicht möglich. Bis auf die Anzahl der verkauften Auflagen und unsystematischem Publikumsfeedback (Leserbriefe, vereinzelte Befragungen, Leserschaftsanalysen und aufwendige Readerscans) standen den Zeitungsredaktionen keine Informationen und Angaben zu Verfügung, welche Artikel oder Teile der Zeitung gelesen wurden“(14)
Für diese Situation entwickelt er in der vorliegenden Arbeit einen Lösungsweg bzw. eine Vorgehensweise, um aus dieser Situation herauszukommen und die Handlungsweise bei der Entwicklung von Presseerzeugnissen und dessen Informationswert an den Bedarf b.z.w. an die Akzeptanz des Publikums anzupassen sowie den Bedarf an Information genauer zu ermitteln um die relevanten Presseerzeugnisse besser dafür weiter zu entwickeln und entsprechend anzubieten.
„Durch das Vorhandensein von (vorher nicht vorhandenen) Daten entstehen neue Praktiken des Beobachtens, Vergleichens und Bewertens. Ausschlaggebend hierfür sind quantifizierte Leistungsindikatoren wie Ratings, Rankings, Scores oder Screenings: »Daten zeigen an, wo eine Person, ein Produkt, eine Dienstleistung oder Organisation steht, sie leiten Bewertungen und Vergleiche an“(13)
„Jene Vermessung und Verdatung der Gesellschaft (siehe auch Süssenguth 2015) stehen im Mittelpunkt dieser Arbeit. Dabei wird ein spezifischer gesellschaftlicher Teilbereich betrachtet: Die Massenmedien und ihre vorrangig durch Quantifizierung, also durch statistische Daten, vermittelte Beziehung zum Publikum. Die modernen Massenmedien (Fernsehen, Radio und Printmedien) können insofern als ein Vorreiter der Vermessung und Verdatung angesehen werden, als dass sie schon immer – auch vor der gesellschaftsweiten Digitalisierung – hochgradig an Möglichkeiten des Erfassens, Vermessens und Verdatens des Publikums interessiert waren. So sind sie einerseits bereits aus wirtschaftlicher Sicht auf ein zusehendes, zuhörendes oder lesendes Publikum angewiesen. Auf der anderen Seite stehen sie bedingt durch die Struktur der Massenkommunikation einem anonymen, potenziell unbegrenzten, fluktuierenden und unbekannten Publikum gegenüber, was für die Massenmedien stets die Frage aufwirft, wie viele Zuschauerinnen und Zuschauer, Zuhörerinnen und Zuhörer und Leserinnen und Leser sie mit ihrem Angebot überhaupt erreichen und inwiefern dieses auf Interesse stößt.“(14)
Die Aufgabe der zu verbessernden Vorgänge beschreibt er folgendermaßen: „Der Begriff der Publikumsbeobachtung beschreibt die Prozesse einer Massenmedienorganisation, mit denen die Rezeptionsvorgänge und die Nutzungsgewohnheiten des Publikums in Form von quantifizierten Daten erfasst, aufbereitet und für systeminterne Operationen (Entscheidungen) anschlussfähig gemacht werden.(28)
und „Die Publikumsbeobachtung der Massenmedien kann auf Organisationsebene als ein Geschehen verstanden werden, welches durch drei zentrale Prozesse gekennzeichnet ist:
1.) der Datenerhebung, 2.) dem Datenumgang und 3.) der Datennutzung“(29)
„Nachdem sich ausgehend von der Theorie der Publikumsinklusion mit der quantifizierten
Publikumsbeobachtung auf Organisationsebene beschäftigt (Kap. 2) und im Anschluss daran das Verhältnis von Organisation, Quantifizierung und Digitalisierung genauer betrachtet wurde (Kap. 3), stellt dieses Kapitel den konkreten empirischen Forschungsgegenstand vor: Zeitungsredaktionen und deren Publikumsbeobachtung unter digitalen Infrastrukturen.“ (71)
„Wie und mit welchen Folgen konkrete Fernseh- und Radiosender oder Zeitungen ihr Publikum – vor allem im Kontext ihrer Internetdistribution – beobachten und welche Auswirkungen die Beobachtungsergebnisse auf das organisationale Geschehen haben, stellt nach wie vor ein empirisches Forschungsdefizit im deutschsprachigen Raum dar.“(103)
„Der konkrete empirische Untersuchungsgegenstand der Arbeit sind Zeitungsredaktionen,
die die Möglichkeiten der Online-Distribution nutzen, dabei entsprechende Nutzungsdaten redaktionsintern verarbeiten und sich mithilfe dessen ein Bild von ihrem Publikum machen. Oder anders formuliert: Zeitungsredaktionen, die die Möglichkeiten der Publikumsbeobachtung und Online-Verdatung sowie – Analyse unter digitalen Infrastrukturen nutzen.“(109)
„Im Mittelpunkt der Arbeit standen die Publikumsbeobachtung der Massenmedien und ihre neuen Möglichkeiten der Beobachtung und Verdatung des Publikums im Internet. Hervorgehoben wurde dabei die Organisationsebene von Massenmedien.Im Besonderen wurde der Frage nachgegangen, welchen Stellenwert die Verdatungsmöglichkeiten im Netz für die Medienorganisationen (vor allem Zeitungsredaktionen) haben. Hiermit verbunden war die Annahme, dass jene neuen Möglichkeiten der Beobachtung und Verdatung des Publikums äußerst bedeutsam für die Massenmedien sind, einen tiefgreifenden Einfluss auf die Medienorganisationen haben und einen einschneidenden Wandel markieren.“ (223)
Der Autor beschreibt in seiner Untersuchung in aller Ausführlichkeit die aktuelle Situation der Massenmedien im Printbereich vergleichend mit dem Onlinebereich im Verhältnis von Erzeuger zum Rezipienten in ausführlicher Breite. Er fokussiert darin besonders auf die prägnanten Unterschiede in beiden Bereichen in den Kenntnissen über deren jeweilige Zielgruppen und entwickelt daraus angepasste Organisationsformen zur Verbesserung der Effektivität der Arbeit besonders für den Printbereich.
Das Buch ist sehr gut lesbar und die Argumente detailliert nachvollziehbar womit es sich als gute Vorlage für Optimierungen und die Entwicklung besserer Verfahren in den angesprochenen Bereichen anbietet.
Peter Dahms [www.Dahms-Projekt.de/wordpress]