Rienzi, der Letzte der Tribunen als Video on Demand von 1. bis 4. April 2021
auf: https://www.deutscheoperberlin.de/de_DE/rienzi-als-video-on-demand
Große tragische Oper in fünf Akten, Dichtung von Richard Wagner, nach dem Roman von Edward Bulwer-Lytton.
Rienzi, or The Last of the Tribunes – [deutsch von Georg Nikolaus Bärmann,1836]
Uraufführung am 20.Oktober 1842 in Dresden, Königlich Sächsisches Hoftheater Gewidmet Friedrich August II.,König von Sachsen
Premiere an der Deutschen Oper Berlin am 24. Januar 2010
2 Stunden 34 Minuten / Keine Pause
Mit deutschen und englischen Übertitel
Besuchsbericht von der Premiere am 24.Januar 2010
Geschichte ist ja sooo… einfach. Hätte ein kleiner, wenig talentierter Kunstmaler in seiner Jugend nicht die Oper RIENZI gesehen, dann hätte es DEN Hitler, wie wir ihn immer wieder neu kennenlernen, nicht gegeben. Ich hatte beim Anblick des Bühnenbildes ein Déjà vu. Eigentlich passiert mir das immer wieder. Unseren Regisseuren, ob für Kino, Oper, für amerikanische Serien oder auch für das Theater arbeitend, fällt immer nur das Gleiche ein. Fest steht, Wagner kannte Hitler nicht, wie auch, und dass man ihn später für den Nationalsozialismus vereinnahmte, dafür konnte er direkt auch nichts. Er hat nur als einziger der vielen ‚Antisemiten’ des 19. und des beginnenden 20.Jahrhunderts, dank seiner Leistung in der Opernkomposition, bis in unser 21.Jahrhundert überlebt. Wie hat sich Wagner den Rienzi gedacht? Vielleicht ist die konzertante Variante da doch informativer? Wie viele Diktatoren der Neuzeit, und es gibt ja wahrhaftig mehr als einen, könnte man in dieses Schema pressen? Das Bühnenbild wird über längere Strecken, besonders im 2. Teil nach der Pause von einer Videowand dominiert. Darauf wird im Wechsel mit symbolischen Szenen, Rienzi, Torsten Kerl in der aktuellen Darstellung projiziert. Das ist ein guter Regieeinfall, die Eindringlichkeit des Vortrags wird dadurch wesentlich erhöht. Die weiteren wechselnden Szenen des Videos zeigen in einem „Patchwork“ die Ikonografien der Ideologien, überwiegend des Nationalsozialismus, des Faschismus und des Kommunismus, wo sie sich auch grundsätzlich ähneln. Ein Patchwork, auch der gesamte Darstellungsablauf, nach eindeutigen Bezügen zur deutschen Diktatur, erinnert das Ende des ‚Tribuns’ mehr an das Schicksal seines italienischen Pendants. Die Buhrufe am Ende des ersten Teils und zum Schluss kann man nachvollziehen. Der ‚Tribun’ wird in dieser Interpretation und als Parallele zur deutschen Diktatur streckenweise zu ‚verständnisvoll und menschlich tragisch’ dargestellt.
Nun doch noch zur Aufführung. Gute Sänger und gute Darsteller retten doch immer noch die schlechteste Inszenierung. Der Schlussapplaus gilt meist und ausschließlich den Darstellern und nicht unbedingt der Aufführung. Dafür ist erst einmal der Schlussakt vor der Pause da. Eine Wagneroper und sei sie noch so unvollendet, aus den Entwicklungsjahren des Komponisten, ist ein weites Feld für einen Sänger, um seine Stimmgewalt und Virtuosität zur Geltung zu bringen. In der Musik scheinen immer wieder die Melodien des späteren Wagners durch und vor allem, die Chöre, stimmgewaltig und beeindruckend sind sie in Szene gesetzt.
In der gekürzten Fassung von Rienzi, wie sie heute aufgeführt wird, hat der Sänger des Rienzi eine wahrhaft herkulische Leistung zu vollbringen. Fortlaufend in Aktion, meistert alle diese Anforderungen meisterhaft Torsten Kerl, dagegen fallen die anderen Darsteller doch etwas ab. Für ihre Leistung mit starkem Applaus werden Kate Aldrich in der ‚Hosenrolle’ des Adriano und Camilla Nylund als Irene bedacht. Besonders der Chor und das Orchester erhalten brausenden Beifall für ihre Leistung, so möchte man Wagner sehen.
Ein gemischter Eindruck bleibt von der Aufführung. Es bleiben Zweifel an der Interpretation durch die Inszenierung, aber man ist auch beeindruckt von der Ausführung. Andererseits und ohne Abstriche ein großes Lob für alle Darsteller. Hingehen, ansehen und selbst beurteilen, es lohnt sich.
Peter Dahms [www.OpernInfo-Berlin.de]
Fotos (c) Bettina Stoess