Berlins Weg in die Moderne

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Erschienen im transcript-verlag, Bielefeld in der Reihe Global- und Kolonialgeschichte

Am 10. Dezember 2024, 432 Seiten ISBN: 978-3-8376-7510-8

Samuel Eleazar Wendt / Felix Töppel / Lilja-Ruben Vowe / Klaus Weber (Hg.)

Berlins Weg in die Moderne

Koloniale Warenströme und Sehnsüchte, 1713-1918

aus der Verlagsankündigung und Einführung:

Obwohl Berlin als Residenz der brandenburgischen Kurfürsten, ab 1701 auch der preußischen Könige und später als Denkfabrik der wilhelminischen Weltmacht keine Hafenstadt wie Bremen und Hamburg war, war sie seit der Frühmoderne mit dem kolonialen Warenhandel und damit verbundenen überseeischen Warenströme verflochten. Koloniale Sehnsüchte der Stadt Berlin reichen bis ins 17. Jahrhundert zurück. In der postimperialen bzw. postkolonialen Gegenwart der Stadt wird dies aber kaum wahrgenommen.„ transcript-verlag

Dieses Buch ist ein Ergebnis der elften wissenschaftlichen Jahrestagung des Netzwerks HiKo_21, die wir am 28. und 29. September 2024 im Mittelhof in Berlin-Nikolassee durchführen konnten. Der heutige Sitz der Historischen Kommission zu Berlin wurde um 1914 als Familiensitz für Wilhelm Mertens gebaut, der als Geschäftsmann in der Berliner Kolonialwirtschaft zu einem Vermögen kam – dieses Zeugnis der hier behandelten Geschichte war ein passender Tagungsort. Wir danken der Historischen Kommission zu Berlin.“ transcript-verlag

Rasantes Wachstum, provokante kulturelle Avantgarden, die Infragestellung von Geschlechterrollen oder neue Industrien und Vergnügungen prägten bereits das wilhelminische Berlin. Ermöglicht wurden diese Entwicklungen auch durch Konsummöglichkeiten und technische Innovationen, die auf der Verfügbarkeit von Kolonialwaren beruhten. Dafür schuf sich das Kaiserreich seit den 1880er Jahren »eigene« koloniale Räume. Weniger bekannt dagegen sind die früheren materiellen und immateriellen Verflechtungen mit Kolonien anderer europäischer Mächte. Die Beiträger*innen zeigen, wie von dort aus immer mehr Rohstoffe, Heilpflanzen und Genussmittel nach Berlin gelangten – und seitdem koloniale Fantasien und Sehnsüchte viele Dimensionen der Stadt durchdringen.“ transcript-verlag

In der preußischen Wirtschaftsgeschichte des 18. Jahrhunderts gibt es einige Forschungsdesiderate. Um Preußens Aufstieg zu einer bestimmenden Kontinentalmacht in diesem Jahrhundert zu verstehen, lohnt sich unbedingt ein Blick in Produktion, Vertrieb und Logistik sowie auf wirtschaftspolitische Maßnahmen. Die in diesem Beitrag fokussierten staatlich initiierten Infrastruktur- und Finanzmaßnahmen vor allem zum Ostseehandel müssen keineswegs der einzige Faktor gewesen sein; so verwies Ilja Mieck bereits 2009 darauf, dass auch der Handel Preußens mit Westeuropa erschreckend schlecht erforscht ist, und daran hat sich in den letzten Jahren auch wenig geändert. Indem wir Brandenburg-Preußens Versuch, vom globalen Handel zu profitieren und seine eigenen Produkte sowohl intern als auch international konkurrenzfähig zu halten, in den Fokus rücken, können wir das verbreitete Verständnis vom Aufstieg Preußens als Ergebnis rein »interner« Kraftanstrengungen erweitern. Der Aufstieg war nicht nur ein Produkt »preußischer« Disziplin, Bürokratie und Diplomatie sowie des preußischen Militärs, sondern auch eng mit dem Zustrom von Rohstoffen aus kolonialen Räumen verbunden. Davon profitierte auch Berlin: als Handelsplatz und als Standort großer Gewerbebetrieb“ transcript-verlag

Rezension:

Das Buch ist trotz oder wegen der Fülle an Informationen, die es enthält und Ereignisse die hier bearbeitet und berichtet werden nur ein kleiner Ausschnitt der Ereignisse, die sich in dem zeitlichen Bereich des 18. bis Anfang des 20. Jahrhunderts in Bereich Mitteleuropas ereignen und der sich in dieser Zeit zu der Großmacht Brandenburg-Preußen als „verspäteter“ aber einflussreicher Akteur in dem Konzert der Großmächte dieses Zeitalters etabliert. Etwas „verspätet“, aber dann mit einer beachtenswerten Energie und Hartnäckigkeit. Berlin wird in dieser Zeit als die wachsende Hauptstadt von „Provinz“ zur „Metropole“. Diese Entwicklung wird sicht- und spürbar in der Bevölkerung-Entwicklung und des Staatsapparats sowie besonders im Handel und Gewerbe, das sich durch die „Kolonialwaren“, die ins Landströmen und auch der mehr oder weniger unfreiwillig folgenden „fremdartigen“ Menschen die Kultur in Lande veränderten.

Die Ereignisse und Entwicklungen aus dieser Ereignissen waren das Thema der elften wissenschaftlichen Jahrestagung des „Netzwerks HiKo“ im September 2024, die Tagung fand in Berlin-Nikolassee statt.

Aus dieser Tagung entstand das in dem vorliegenden 425seitigen Band vorliegenden Buch, mit 25 Beiträgen als Essayband und mit einführend, mehreren umfangreicheren, längeren Artikeln zu den Einflüssen der Menschen, Produkte (Kolonialwaren) und Ideen, die in dieser Zeit der Entwicklung in die „beschauliche“ Provinz, die Brandenburg, und darin Berlin vor dieser Zeit darstellten, hereinbrachen.

In vermisse jedoch, trotz des schon umfangreichen Textes des Buches einige Erwähnungen und Beschreibungen, wie sich in dieser Zeit auch der innere Verkehr für Produkte und Personen entwickelt hatte. Bei dieser Entwicklung mit diesen umfangreichen Warenströmen und Menschen konnte das nicht in den Möglichkeiten des Vorhandenen bewältigt werden. Wie entwickelten sich die Straßen und Chausseen mit der Fahrpost ab 1820 und besonders auch schon die Eisenbahn in den späteren Jahren ab etwa 1835 und dann mit den folgenden Erweiterungen? Aber auch ohne diese, liegt hier ein in dieser Form schon umfangreiches Buch vor, das auch ohne diese zusätzlichen Themen eine lesenswerte, interessante Arbeit darstellt.

Peter Dahms [www.Dahms-Projekt.de/wordpress]